Nr. 4 Kirschessigfliege (Drosophila suzukii)
2010 wurde von der zuständigen Behörde erstmals vor einem Obstschädling gewarnt, der in Kürze auch in Deutschland auftauchen könnte: der Kirschessigfliege. Diese in China, Korea, Japan und Thailand beheimatete Essigfliege war über befallene Früchte 2008 nach Nordamerika und 2009 nach Italien und Spanien eingeschleppt worden. Inzwischen ist es traurige Gewissheit: Der neue Schädling hat sich innerhalb weniger Jahre vor allem in der südlichen Hälfte Deutschlands ausgebreitet und bedroht ernsthaft den Anbau einer Reihe von Obstarten. Sowohl das Angebot an Wirtspflanzen als auch die klimatischen Bedingungen bieten ihm gute Voraussetzungen. Die Fruchtfliege überwintert als erwachsenes Tier an geschützten Orten. Die vergleichsweise strengen Winter von 2010/11 und 2011/12 haben die Ausbreitung allenfalls leicht verzögert und bewirkt, dass der Höhepunkt des Auftretens in der folgenden Saison erst im Spätsommer lag.
Während unsere heimische Essigfliege (Drosophila melanogaster) nur voll- bis überreife Früchte befällt, kann der Neuankömmling mittels einer Art Sägeblatt am Legebohrer intakte und relativ harte Fruchthäute halbreifer Früchte anritzen und Eier ablegen. Gefährdet sind vor allem rot oder blau ausreifende Fruchtarten wie Süß- und Sauerkirschen, Himbeeren, Brombeeren, remontierende Erdbeeren, Zwetschen und Pflaumen, Heidelbeeren, Holunder und blaue Weintrauben. Aber auch Johannis- und Stachelbeere, Pfirsich, Aprikose, Mirabelle, Feige und einige Wildobstarten können befallen werden. Äpfel, Birnen und Quitten scheinen aufgrund ihrer harten Fruchtschale weniger gefährdet.
Die extrem kurze Entwicklungsdauer von nur 8 bis 14 Tagen ermöglicht bis zu 15 Generationen des Schädlings pro Jahr. Das Weibchen der Kirschessigfliege legt durchschnittlich 400 Eier ab, meist mehrere pro Frucht. Durch den Fraß der Maden kollabieren die Früchte oft innerhalb von nur zwei Tagen. Die männlichen Tiere unterscheiden sich durch einen schwarzen Flügelfleck von der heimischen Essigfliege. Die Fliegen erreichen eine Größe von 2,6 bis 3,4 mm, sind gelblich oder hellbraun gefärbt mit großen, roten Facettenaugen.
Bundesweit erfolgt eine Überwachung der Ausbreitung mithilfe von Fallen mit einer Mischung aus Rotwein und Apfelessig. Im Raum Frankfurt liegt der Anteil der neu eingeschleppten Art an den insgesamt gefangenen Fruchtfliegen in dieser Saison bei ca. 20 bis 40 %, in einem Himbeerbestand sogar bis zu 90 %!!! Der Schädling kann innerhalb eines Gebietes einige Kilometer weit fliegen und in ganzen Schwärmen in Obstbestände einfallen, die das ideale Reifestadium aufweisen.
Die unglaubliche Vermehrungsquote macht eine effektive Bekämpfung des Schädlings selbst im Erwerbsobstbau fast unmöglich. Wichtigste Gegenmaßnahme ist äußerste Hygiene. Folgende Tipps sollten im Haus- und Kleingarten beherzigt werden:
- Erntedurchgänge bei reifenden Obstarten in kurzen Abständen
- Früchte im Kühlschrank aufbewahren, falls kein sofortiger Verzehr erfolgt
- Bei jedem Erntegang auch alle befallenen bzw. verdächtigen Früchte entfernen
- Befallene Früchte sofort vernichten, keinesfalls kompostieren oder vergraben
- Hierzu am besten in Müllbeutel oder Kunststoffbehälter füllen, verschließen und mehrere Tage lang der Sonne aussetzen. Alternativ kurzzeitig einfrieren. Erst nach dieser Vorbehandlung können die Früchte kompostiert werden.
- Befall kann durch Einnetzen beispielsweise von Beerenobststräuchern mit sehr engmaschigen Netzen (0,8 x 0,8 mm) verringert werden; während der Ernte und damit verbundenen Abnahme des Netzes aber Zuflug möglich.
- Massenfang des Schädlings mit Rotwein-/Apfelessigfallen nur eingeschränkt wirksam